Facebook war die Hoffnung für viele Internet-Fans. Heute ist es eher eine Enttäuschung.
Digitalisierung Gesellschaft

Digitale Zukunft: Euphorie und Enttäuschung

Die Digitalisierung hat enormen Einfluss auf unsere Gesellschaft. Sie verändert bereits unsere Demokratie. Eine Analyse in mehreren Teilen. (Teil 1)

2010 galt das Internet als Instrument der weltweiten Demokratisierung. Doch mit dem Einbruch des Arabischen Winters ist die Hoffnung einer schweren Enttäuschung gewichen. Nun soll das Netz sogar für den zunehmenden Populismus verantwortlich sein.

Es soll im arabischen Raum Kinder geben, deren Name Facebook lautet. So eng haben ihre Eltern den „Arabischen Frühling“ offenbar mit der Internet-Plattform verbunden. Blenden wir einmal aus, dass dieser Frühling nicht sehr lange währte und damit die Legende der Facebook-Revolution ebenfalls ein jähes Ende fand. Dieser Umsturz und auch die jüngste Bewegung im Iran zeigen, dass das Internet eine vorhandene Demokratisierungsbewegung unterstützen kann. Das hat mehrere Gründe.

Günstig, weitreichend, schnell

Das Internet ist vergleichsweise günstig. Heutzutage kann jeder ohne große Geld-Ressourcen mit der ganzen Welt kommunizieren. Er kann sogar zum vielbeachteten Autoren, politischen Analysten oder gar Anführer werden. Alles, was es dazu braucht, ist im Grunde ein Smartphone, ein paar kostenlose Social-Media-Accounts und natürlich Talent. Mit dieser Ausrüstung können Text-Beiträge, Audio- und Video-Formate kostengünstig über die ganze Welt verbreitet werden – aus dem heimischen Wohnzimmer oder von unterwegs.

Zum Vergleich rufen wir uns das berühmte Zitat von Paul Sethe ins Gedächtnis. Der Gründungsherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schrieb 1965 an den Spiegel: „Die Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.“ Nicht zuletzt aus diesem Grund hat die SPD bereits im Kaiserreich angefangen, Zeitungen zu gründen, und ist deswegen noch heute im Besitz eines stolzen Medien-Imperiums. Mit der Verbreitung des Internets spielt Geld keine entscheidende Rolle mehr. Unweigerlich ist dies ein Gewinn für unsere Demokratie.

„Die Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.“

Gewonnen haben wir durch das Internet aber auch an Reichweite. Dazu haben vor allem die sozialen Medien beigetragen. Influencer, also Personen, denen besonders viele Nutzer folgen, können binnen Minuten mehrere Millionen Menschen mit ihren Postings erreichen. Die tägliche Druck-Auflage der größten Tageszeitung der Welt, der Yomiuri Shimbun (Japan), beträgt nach offiziellen Angaben über neun Millionen. Dem US-Präsidenten Trump allerdings folgen allein auf seinem persönlichen – und gefürchteten – Twitter-Account (@realDonaldTrump) über 50 Millionen Menschen. Zusammen mit den offiziellen Accounts des Präsidenten (@POTUS) und des Weißen Hauses (@WhiteHouse) ergibt das eine Gesamt-Follower-Zahl von derzeit 90 Millionen – auch, wenn es zwischen den drei Accounts sicherlich deutliche Überschneidungen gibt.

Ein weiterer Vorteil des Internets ist die Geschwindigkeit. Informationen verbreiten sich binnen Sekunden um die ganze Welt. Heute muss die lokale Tageszeitung nicht mehr mit der Post in den Urlaub nachgeschickt werden, wo sie zwei Tage später ankommt. Sie kommt live aufs Smartphone. Ebenso Radio- und TV-Sender. Twitter ist meist schneller als die Eilmeldungen der Agenturen. Youtube, Facebook und Periscope geben jedem Smartphone-Besitzer die Möglichkeit, Ereignisse, die sich vor seiner Haustür abspielen, live ins Netz zu streamen.

Schminktipps und Überwachung

Begünstigt durch die Reichweite und die niedrigen Produktionskosten ist es im Internet zu einer enormen Zielgruppen-Ausrichtung gekommen. Blogs und Podcasts haben die Tendenz, Spezial-Interessen zu bedienen. Nur wenige mediale Newcomer können es mit einem klassischen Medium wie Zeitung, Radio oder TV aufnehmen. Also haben sich die Blogger, Podcaster und Youtuber Nischen gesucht, in denen sie erfolgreich sind. So widmet sich der Blog Netzpolitik.org ausschließlich den Themen Netzpolitik und Digitalisierung sowie deren Auswirkungen auf die Gesellschaft. Nerdzoom ist ein regelmäßiger Podcast für Computer-Interessierte. Und Youtuberin Bibi gibt ihren fast fünf Millionen Abonnenten Schmink- und Haar-Styling-Tipps. Spezial-Interessen, die im öffentlich-rechtlichen Fernsehen früher im günstigsten Fall um ein Uhr nachts berücksichtigt wurden, sind nun jederzeit abrufbar – on demand.

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Doch es gibt auch die Kehrseite dieser Entwicklungen: Der Umstand, dass sich heutzutage jeder mit Menschen auf der ganzen Welt verbinden und mit ihnen austauschen kann, sollte eigentlich zur Völkerverständigung beitragen. Was wir gegenwärtig erleben ist allerdings eher das Gegenteil: Abschottung, Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit.

Damit haben die Internet-Evangelisten, die voller Euphorie auf den „Arabischen Frühling“ schauten, damals wohl nicht gerechnet. Es ist schon reichlich naiv zu glauben, das Internet fördere nur das Gute – was wiederum Definitionssache ist.

Die Erkenntnis war hart, dass das Internet auch für ihn „Neuland“ war.

Der deutsche Internet-Experte Sascha Lobo drückt es 2014 in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung so aus: „Das Internet ist nicht das, wofür ich es so lange gehalten habe. Ich glaubte, es sei das perfekte Medium der Demokratie und der Selbstbefreiung. Der Spähskandal und der Kontrollwahn der Konzerne haben alles geändert“. Diese Erkenntnis ist vor allem deswegen amüsant, weil das Internet – ähnlich übrigens wie das Global Positioning System (GPS), das in jedem Smartphone vorhanden ist – ursprünglich aus einem Projekt des US-Verteidigungsministeriums hervorgegangen ist (Arpanet). Mit der Verbreitung demokratischer Werte hatte das zunächst wenig zu tun. Lobos Enttäuschung offenbart aber auch, wie sehr er das Netz und seine Expertise überschätzt hatte. Die Erkenntnis war hart, dass das Internet auch für ihn „Neuland“ war.

Wir sollten langsam erkannt haben, dass jede neue Technik immer zwei Seiten hat. Kaum jemand, der bei Verstand ist, wird öffentlich-rechtlichen Radiosendern heute Propaganda-Tätigkeit unterstellen. Wir haben mit Rundfunkräten und mehreren -gesetzen dafür gesorgt, dass das Radio-Angebot vielfältig und ausgewogen ist. Verstöße werden geahndet. Zudem haben die Deutschen den Umgang mit dem Medium gelernt. 1933 war die Radio-Technik neu, unreguliert und der Volksempfänger traf auf ein Publikum, das noch nicht gelernt hatte, mit der neuen Technik umzugehen.

Das Internet ist kein Instrument zur Verbesserung unserer Gesellschaft. Es kann eine Bewegung unterstützen, weil es viele Dinge günstiger, schneller und größer macht. Aber das Netz unterscheidet nicht zwischen guten und bösen Bewegungen, zwischen sozialem Engagement oder purem Kommerz. Das Netz an sich ist wertfrei. Wir sind es, die das Netz mit unseren Werten füttern.

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Dieser Beitrag erschien zuerst in den Auslandsinformationen der Konrad-Adenauer-Stiftung