Schweizer Fahne auf Mauer
Digitalisierung Gesellschaft

Internetsperren in der Schweiz

Will die Schweiz nur illegales Online-Glücksspiel Einhalt gebieten oder das Internet "zensurieren"?

Nun steht die Schweiz vor der großen Frage: Wie geht man um mit dem alle Grenzen überwindenden Internet, das sich an keine nationalen Gesetzt hält. Im akuten Fall geht es um Online-Glücksspiel – aber auch um Internet-Zensur.

Wird Roger Federer sein nächstes Aufschlagspiel zu Null gewinnen? Wie viele Asse schlägt er im zweiten Satz? Auf diese und ähnliche Fragen können Internetnutzer viel Geld verwetten. Die Branche der Online-Casinos und Sportwetten-Anbieter boomt. Lotto/Toto war gestern. Der wahre Zocker wettet heute live während das Spiel läuft.

Das Schweizer Stimmvolk wird am 10. Juni 2018 über ein neues Geldspielgesetz entscheiden. Die Anlässe für die Neuregulierung sind vielfältig. Wichtigster Grund: Die wenigstens Online-Anbieter haben eine Glücksspiel-Konzession für die Schweiz. Was den Gesetzgeber aber am meisten ärgert: Die Anbieter zahlen weder Steuern noch Beiträge zur Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV, vergleichbar mit der gesetzlichen Altersversicherung in Deutschland). Im Gegensatz zu den herkömmlichen Casinos und Lotto-Anbietern geben sie der Gemeinschaft nichts zurück.

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Ziel des Gesetzgebers: Den Anbietern von Online-Glücksspielen, die in der Schweiz keine gesetzlich vorgeschriebene Zulassung haben, dort weder Steuern noch Rentenbeiträge zahlen, allerdings Menschen in der Schweiz vom Glücksspiel abhängig machen können, was dann wiederum die Schweizer Gesellschaft tragen muss, den Zugang zum Schweizer Markt erschweren. Wer will diesem legitimen Vorhaben widersprechen?

Die Antwort: Die Parteijugend. Und zwar ziemlich einhellig über Parteigrenzen hinweg. Dabei geht es den Jungpolitikern nicht um die Glücksspiel-Anbieter an sich sondern um die Freiheit des Internets. Denn es geht um eine sehr weitreichende Entscheidung: Darf der Staat einzelne Website blockieren und damit für die Schweizer Internetnutzer unerreichbar machen?

Den Präzedenzfall verhindern

Von “Zensur” sprechen die Jungen – auch, wenn das Argument laut einer aktuellen Umfrage des Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) nicht verfängt. Zu abstrakt scheint die Gefahr, die sich hier auftut. Allerdings ist es eine sehr berechtigte Frage: Wer bestimmt am Ende, welche Websites blockiert werden? Bleibt es beim Glücksspiel oder wird es bald weitere Netzsperren geben und können diese dann die politische Meinungsbildung beeinflussen?

Die Geister scheiden sich entlang der Generationen. So lehnen nach einer aktuellen Umfrage des Schweizer SRF 45 Prozent der Jungen (18-39) das neue Glücksspielgesetz und damit Internet-Blockaden ab. Mit zunehmendem Alter nimmt auch die Unterstützung für das Glücksspielgesetz zu. In der Generation 65-plus sind derzeit 47 Prozent dafür – wobei 39 Prozent ganz sicher dafür stimmen werden.

Während die Älteren in erster Linie die Ungerechtigkeit im System beseitigen möchten, geht es den Jungen darum, den Präzedenzfall zu verhindern. Das Internet soll frei sein, der Staat keine rechtskonforme Möglichkeit erhalten, zu “zensieren”. Eine ähnlich heftige Debatte entbrannte bereits vor einigen Jahren in Deutschland. Das – vor allem junge – Netz rebellierte gegen “Zensursula” (Bundesministerin Ursula von der Leyen), die Netzsperren ermöglichen wollte. Ihr Anliegen war dabei nicht weniger legitim: die Blockade von Websites mit kinderpornografischen Inhalten. Am Ende setzte sich die Netzöffentlichkeit durch. Der Präzedenzfall wurde verhindert.

Braucht es ein globales Internetgesetz?

Immer wieder gibt es solche Fälle. Die Frage ist immer wieder die gleiche: Wie kann ein Land gewährleisten, dass seine Gesetzte auch im Internet eingehalten werden? Bei der digitalen Globalisierung wurde diese Problematik wohl vergessen – oder übergangen. Kann zum Beispiel Facebook in Deutschland dafür belangt werden, wenn ein arabischer Nutzer auf seinem Facebook-Profil den Holocaust leugnet? Der Post ist auch für deutsche Nutzer ersichtlich und stellt in der Bundesrepublik eine Straftat dar. In den USA (Sitz von Facebook) und arabischen Ländern (Nutzer) nicht.

Brauchen wir globales Internet-Gesetz, das all diese Probleme regelt? Was sollte das umfassen? Wer soll es erlassen? Für wen wäre es gültig? Die Vorstellung ist sicherlich eine Utopie. Bis dahin werden wir in unserer digital-globalisierten Welt Ungerechtigkeiten ertragen müssen. Die Schweizer werden Mitte Juni darüber abstimmen, wie weit sie dafür gehen wollen und was ihnen die Freiheit ihres Internetzugangs wert ist.

Hinweis: Derzeit lassen sich sogenannte Netzsperren durch Virtual Private Networks (VPN) umgehen. Wer ein wenig technisch versiert ist, wird auch weiter alle Seiten im Netz erreichen. Für den Durchschnittsbürger kann eine solche Website-Blockade allerdings eine ziemlich hohe Hürde darstellen.